Campervan

Krebs im Gepäck

Direkt am Wasser stehe ich, ein paar Kilometer vor Inverness in einem dieser Camps, die so natürlich ungeordnet daherkommen, dass sie so liebenswürdig sind wie die Menschen, die sie anziehen. Ich liebe es, hier sprüht das Leben. Ein buntes Durcheinander von Zelten in allen Größen und Farben, dazwischen ein paar Bullis und auch mal ein Wohnwagen. Jeder steht, wie und wo er will und macht, was immer er gerade macht. Schwertkämpfende Jungs sehe ich, ein altes Ehepaar Hand in Hand, zwei Backfische mummeln sich in eine blumig gemusterte Decke, jemand zupft auf der Gitarre. Da vorne sitzt eine 5-köpfige indische Familie frierend in ihrem alten Morris und blickt in die Richtung, die heute sogar kernige Schotten weich werden lässt. Hinter dem großen See sieht man die Silhouette der Highlands, dahinter geht rot die Sonne unter. Alles ist gut, aber doch nicht so ganz.

 

Meine Diagnose bekam ich vor etwa zwei Jahren. Prostata-Krebs. Sehr weit fortgeschritten, akuter Handlungsbedarf. Was wirklich los ist, könne man leider erst während der OP sehen, sagte man mir. Also ging es schnell. Einer der renomiertesten Experten des Landes operierte mich sechs Stunden lang. Dabei wurden ein Tumor unterhalb der Blase und meine Lymphknoten entfernt. Der Krebs hatte zum Glück noch nicht gestreut, und sämtliche relevanten Nerven konnten gerettet werden. Ich würde also nach einiger Zeit wieder so leben können, als sei nichts passiert.

 

Seit ein paar Monaten weiß ich, dass ein paar Zellen überlebt und wieder angefangen haben zu wachsen. Bei nervenerhaltenden Operationen besteht leider ein Restrisiko dieser Art. Irgendwann einmal werde ich eventuell eine Chemo machen müssen, aber im jetzigen Stadium hieße das mit Kanonen auf Spatzen schießen. Ich stelle aber sowieso fest, dass ich seit meiner Ankunft in Cornwall, als unbeschriebenes Blatt fernab des alten Umfeldes, mit der Situation besser umgehe als zuhause, gelassener und offener. Daher lassen wir dieses lausige Thema für heute, ich spreche nämlich lieber über die Reise.

 

Nach Cornwall, wo ich eine eine Zeit lang in St. Ives und Penzance blieb und mich ein wenig wie Hemmingway in Key West fühlte, fuhr ich die Westküste hoch. Über Wales kam ich zur Isle of Skye, wo ich einen längeren Stop in einem sehr atmosphärischen Camp nahe der kleinen Hafenstadt Portree einlegte. Die inneren Hebriden dort sind wie nicht von dieser Welt. Von Scrabster aus an der Thurso Bay machte ich einen Kurztrip nach Stromness auf den Orkney-Inseln, meinem nördlichsten Punkt dieser Fahrt. Dabei hatte ich etwas dabei auf Wale gehofft, das war aber nichts. Und nun bin ich in Inverness, der kleinen Hauptstadt der Highlands, und blicke nach vorne.

 

 

12 Gedanken zu „Krebs im Gepäck

  1. Hallo Rolf,
    Ich bin Tine, auch Anfang 50 und auf deine Seite über eine Womo Gruppe bei Facebook aufmerksam geworden. Nun lese ich gebannt mit!
    Auch ich hatte die Diagnose Krebs , op, Bestrahlung und letztlich viel Glück ! Ich bekam mein*altes* leben neu präsentiert.
    Fast unbemerkt kamen immer mehr Veränderungen , große Gelassenheit und eine wunderbare innere Ruhe. Meine Arbeit macht Spaß – selbst das genieße ich
    Nun noch den Traum vom eigenen womo erfüllt..(in 2 Wochen wird es abgeholt) .Freiheit ich komme! Ab jetzt werde ich Ausschau halten nach dem einzig schwarzem Bulli unter all den weißen. 😉 Danke für diese mitreißend geschriebene Seite!!!!! Viele Grüße

    1. Liebe Tine,

      wie schön, dass du alles so gut überstanden hast. Und wie schön, dass deine Lebenseinstellung heute eine so besondere ist. Beim nächsten Homestop kommt ein Logo auf meinen Bulli, dann erkennst du ihn noch besser.

      Gut, dich an Bord zu wissen! Alles Gute!

  2. Hallo Rolf,
    auf Facebook bin auch ich auf Dich aufmerksam geworden. Du machst das, was ich gern machen würde. Ich hatte Darmkrebs mit 45. Mein Leben stand auf der Kippe. Das ist mir erst gar nicht so bewusst geworden. Die Chemo war kein Zuckerschlecken. In der Reha habe ich aber Menschen kennen gelernt, welchen es noch dreckiger gehen musste. Meine Frau stand mir in dieser Zeit bei. Manchmal denke ich, für sie war es schlimmer, als für mich. Das hat uns natürlich zusammen geschweißt und ich bin Ihr sehr dankbar für diese Unterstützung. Dennoch würde ich gern ausbrechen. Meinen Bulli schnappen und mich treiben lassen. Ohne Zeitdruck. Wenn mein Arbeitgeber mitspielen würde, wäre ich schon los. Ich glaube, meine Frau würde mich auch dabei unterstützen. Auch wenn es ihr schwer fallen würde.
    Ich nehme mir eine Auszeit einmal im Jahr. 1 Woche allein, mit Kumpels; egal. Das tut gut. Gelassenheit ist sicherlich etwas, was ich mit auf den Weg genommen habe. Ebenso die Einstellung, dass ich heute lebe und somit diese Zeit nutzen muss. Das tue ich. Gemeinsam mit meiner Frau, oder auch mal allein.

  3. Hallo Rolf
    Zuerst muss ich Dir zu Deinem Blog gratulieren. Ich stiess heute zufällig darauf und habe bereits fast alle Deine Beiträge gelesen. Endlich ein Blog mit Tiefgang und nich nur oberflächlichem Geschwafel. Chapeau! Ich habe eine Webseite, aber noch keinen Blog. Ich habe es auch mit WordPress probiert und kapituliert! Vielleicht könntest Du Deinem spanischen Freund sagen, er soll mich kontaktieren!!!
    Hier etwas zu meiner Person: Ich war 59 Jahre alt, als bei mir Prostatakrebs diagnostiziert wurde. Die Prostata musste entfernt werden. Die Untersuchung ergab, dass sich irgendwo Metastasen befinden müssen. Die zweimonatige Bestrahlungstherapie konnte diese jedoch nicht killen. Soweit sogut! Na ja, fast! Seit der Operation muss ich alle 6 Monate zum Urologen zur Kontrolle. Die laufende Hormonbehandlung hält den PSA-Wert auf tiefem Niveau.
    Aufgrund der ungewissen Zukunft trat ich mit 60 in den Ruhestand. Inzwischen bin ich 70 Jahre alt geworden und ich bereute meinen Entscheid keinen einzigen Tag.
    Ich wohne im sonnigen Thailand in der Hauptstadt Bangkok. In der Schweiz besitze ich ein zweites Zuhause und einen VW T6 California Ocean. Somit habe ich sozusagen 3 Zuhause! Und wie Du Dir denken kannst, bin ich viel unterwegs. Diesen Sommer werde ich Skandinavien unsicher machen!

  4. Lieber Rudolf, für mich hört es sich so an, als hättest du in nach der Diagnose alles richtig gemacht. Wir können uns sehr gerne in Bangkok verabreden, dann zeige ich dir WordPress und du mir dafür die Stadt. Viele Grüße und alles Gute weiterhin!

  5. Lieber Rolf, einverstanden! Das Problem besteht darin, dass ich für dieses Jahr ausgesprochen viele Reisen geplant habe. In Bangkok werde ich mich lediglich vom 21. bis 28. April und vom 28. November bis Mitte Dezember aufhalten. Hast Du bereits Reisepläne für Thailand?

  6. Lieber Rolf,
    was frau nicht alles entdeckt, wenn sie mit einer Grippe zu Hause rum hängt. Ja, entdeckt habe ich Deinen Youtube Beitrag und war völlig begeistert- ich glaube vor allem, weil ich mich in Vielem wiederfinde und mich durch das, was Du sagst, auch bestätigt fühle. Ich bin selbständig, habe viele Jahre nur geackert und dann kam die Diagnose Brustkrebs. Das ist wie ein Schlag vor den Bug, aber wem sage ich das. Als „alte Camperin“-meine Eltern nahmen mich mit 5 Lebensjahren schon mit auf einen Campingurlaub in den Süden mit einen Käfer Kabriolett- wollte ich immer mal ein Wohnmobil und herumreisen. Aber ich dachte immer, ja, später, wenn ich ˋ mal nicht mehr arbeite. Das Spätereinmal habe ich gründlich geändert und somit besitze ich seit nunmehr 3 Jahren einen Kastenwagen, bin aber noch mitten im Prozeß der Loslösung und Veränderung. Das alte Sicherheitsdenken rührt noch ganz schön in meinem Kopf herum. Umso mehr freue ich mich, dass ich Dich hier gefunden habe, Du machst mir Mut und lebst, wovon ich noch nur träume.
    Ich danke Dir dafür. Ich werde Dich weiter begleiten, indem ich immer wieder rein schaue bei Dir. Was ich Dir wünsche? Dass Du noch sehr viel Schönes auf dem Weg zu Dir selbst entdecken magst.

    1. Liebe Heide, du hast den Anfang gemacht, das alleine ist eine Menge wert. Ob die wahre Freiheit die Möglichkeit einer ständigen Reise ist oder am Ende nur eine Frage der Einstellung, das wird uns beiden hoffentlich irgendwann klar werden. Ich wünsche dir auf deinem Weg viel Mut, viel Gelassenheit und vor allem, dass du viele liebe Menschen an deiner Seite hast! Liebe Grüße aus den Pyrenäen!

  7. Lieber Rolf,
    wie schön, Du hast geantwortet. Ja, vielleicht ist die Achtsamkeit mit sich selbst und die Zeit für sich selbst, um spüren zu können, was uns wirklich wichtig ist der Weg. Und alles andere zeigt sich dann, wenn wir vertrauen. Ja, es gibt liebe Menschen, die mich begleiten. Eine gute Zeit für Dich in den Pyrenäen!

  8. Hallo Rolf,
    mit Aufmerksamkeit verfolge ich Deine Seite, Deine Berichte, Deine Erfahrungen und Ansichten.
    Im Mai, diesen Jahres, hatte ich ein prägendes Ereignis, welches mich mit fast 50 komplett zum Umdenken angeregt hat. Auch hier war der Krebs mit im Spiel.

    Da lange keine Reiseberichte von Dir eingestellt worden sind, hoffe ich das Du wohlauf bist.
    Lass wieder etwas von Dir hören. Ich denke alle „Mitleser“ würden sich riesig freuen.
    Weiterhin alles Gute für die Zukunft.
    Gruß Christian

  9. Moin Rolf, bin durch Zufall via YouTube auf Deinem Block gelandet. Ich habe festgestellt das man als Mensch erst einmal etwas schlimmes erfahren muss, damit man endlich anfängt zu leben, oder lernt was es heißt richtig sein Leben zu genießen. Ich habe vor mehr als 20 Jahren einen Motorradunfall und bin seit dem querschnittsgelähmt. Danach habe ich mich aber wieder voll in die Arbeit gestürzt und hatte auch noch viel in meinem Arbeitsleben vor. Vor 4 Jahren hat mein Immunsystem angefangen mich selbst zu zerstören was bis jetzt durch 9 Chemos aufgehalten worden konnte. Seit dem ist nichts mehr bei mir mit Arbeiten, ich muss aber sagen das mir meine „Gesundheit“ wichtiger ist und ich lieber versuche mich jeden Tag so viel wie möglich draußen zu bewegen. Zur Zeit bin ich dabei mir einen Van auszubauen der auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Da ich alles selber machen möchte ist es nicht ganz so einfach, aber dennoch machbar, manchmal ist halt weniger- mehr. Ich wünsche Dir weiterhin viel Spaß, vielleicht sieht man sich mal.

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