Seit einem Jahr bin ich nun auf der Reise, in Europa und mir selbst. Raus aus dem Job und allen Verpflichtungen, mal ganz frei sein im Denken und in den Entscheidungen, mit solchen und ähnlichen Vorstellungen war ich gestartet. Zum Jahreswechsel blicke ich zurück auf eine Reise, die nicht immer so war, wie ich sie mir vorgestellt hatte, und auf ein Jahr ohne Arbeit, das oft anstrengender war als gedacht. Wie fühlt es sich nun an, dieses neue und freie Leben?
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In den ersten Monaten fiel mir das Loslassen schwer, Freude an der ungewohnten freien Zeit konnte ich nicht entdecken, ich kam mir eher ungebraucht und abgeschoben vor, altes Eisen mit Rostansatz. Ich besuchte liebe Freunde in schönen Städten, besuchte Marokko und fand neue, dachte zu viel nach und ermahnte mich ständig, nicht doch einfach wieder arbeiten zu gehen. Im April ging die Reise mit dem neuen Bulli los, aus stumpfer Langeweile wurde schlagartig inspirierende Muße. In der ersten Woche fühlte ich mich wie einer dieser coolen Aussteigertypen aus der Werbung, die uns Städtern dauernd aus irgendeiner rauen Wildnis heraus zurufen, was für elendig verweichlichte Luschen wir alle doch sind, aber dann nicht mehr.
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Man vermutet Freiheitsgefühle und große Abenteuer, aber eine monatelange Reise, bei der man sein altes Leben, alle sozialen Kontakte und seine Heimat hinter sich gelassen hat, bietet zunächst einmal nur ungewohnte Tagesabläufe und Wechselbäder von Gefühlen. Ich würde nicht behaupten, dass ich mich unterwegs von Anfang an gleich sehr viel freier gefühlt hätte. Aber ich gewann zunehmend Abstand, kam zur Ruhe und konnte mir aus der Distanz heraus meine eigenen festgefahrenen Strukturen und Denkweisen ansehen. In der Folge wurden Berge von Ballast abgeworfen, Gedanken neu geordnet und Prioritäten neu gesetzt. Das ist eine recht wichtige Erfahrung, die ich jedem nur empfehlen möchte, aber wie wir das vom Hausputz ja kennen, auch sehr anstrengend. Keine lustige Party.
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In der gewählten Ruhe und bedingt durch das Alleinsein kamen natürlich auch zunehmend Sinnfragen hoch. Wenn ich mein altes Leben nicht mehr führe, wo wird dann mein Platz sein? Wer bin ich, was macht mich aus? Woher komme ich, wohin gehe ich? Ich begann zu meditieren, setzte mich mit Buddha auseinander, die Wahrnehmung des Moments ohne Einbeziehung früher gemachter Erfahrungen, und küsste mancher warmherzigen Maria oder Fatima nach einem Gebet die Füße. Eine lustige Party war diese Reise wirklich nicht, eher ein sehr wichtiges Meeting.
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Jeder von uns lebt mit vielen Fragen über sich selbst, denen er sich stellt oder auch nicht. Ich glaube, dass es auf all diese Fragen keine simplen Antworten gibt, nur ambivalente Sichtweisen, und dass der Weg zum inneren Frieden, zum persönlichen Glück, darin besteht, sich für eine davon zu entscheiden und diese tief in sich anzunehmen. Man mag das Selbstakzeptanz nennen oder seinen Glauben finden, in jedem Fall aber wird unser Leben viel gefestigter dadurch. Ich habe mir vor Monaten einmal die Frage gestellt, ob ich diese Reise später wohl als spirituell bezeichnen würde. Heute ist später, und die Antwort darauf habe ich mir gerade gegeben.
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Laß deinen Geist still werden wie einen Teich im Wald. Er soll klar werden, wie Wasser, das von den Bergen fließt. Laß trübes Wasser zur Ruhe kommen, dann wird es klar werden, und laß deine schweifenden Gedanken und Wünsche zur Ruhe kommen.
(Buddha)
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Danke für deine schönen Worte, die mich durch dieses Jahr begleitet haben, frohe Weihnachten und allzeit gute Fahrt…
Hallo Rolf.
Danke für deine Erfahrungen, die du hier teilst.
Gedanken sortieren, vor diesem Punkt stehe ich derzeit. Und dass es am besten gelingen kann mit einer gewissen Distanz, das konnte ich im Sommer erahnen, als ich das erste Mal alleine 3 Wochen auf Reise in Schweden war…
Alles Gute für dich und frohe Weihnachten sowie ein tolles neues Jahr mit vielen schönen Erfahrungen!
Viele Grüße Andrea
Lieber Rolf,
ich wünsche dir von ganzem Herzen frohe, besinnliche Weihnachten und egal wo du gerade bist, einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Deine Worte berühren sehr und ich kann nur halbwegs erahnen, wie es ist so lange allein unterwegs zu sein. Wie du schon sagst, nicht einfach. Der Weg zu innerer Ruhe, zur innerer Selbstkzeptanz ist nicht einfach, aber letztlich glaube ich fest daran, dass dein Weg dir alle Fragen beantworten wird und somit wird diese Reise für dich mehr als nur erfolgreich sein. Ich wünsch dir alles Liebe
Heike
Liebe Heike, wie schön, dass du mich begleitest. Ich genieße jeden Tag, der Weg alleine ist schon etwas Besonderes. Dir alles Gute!
Lieber Rolf !
Ich verfolge deinen Block schon eine ganze Weile und bin immer wieder fasziniert von deinen Gedanken und deiner wundervollen Schreibweise.
Ich selber bin auch schon seit vielen Jahren Bullifahrer, zur Zeit ein VW California T6, mit dem ich öfters alleine unterwegs bin und diese wundervolle Freiheit genieße.
Gesundheit ist das höchste Gut, das merke ich mit meinen fast 68 Jahren immer mehr.
Ein gesundheitlich gutes Jahr 2018 mit weiterhin vielen schönen Gedanken für deinen wundervollen Blog und tolle Touren wünscht dir Karlheinz
Lieber Karlheinz, danke für deine Worte. Gesundheit ist etwas, dass wir zu oft als gegeben hinnehmen, bis sie bröckelt. Bleib gesund und genieße die Touren mit deinem Cali. Du machst Mut!
Durch Zufall habe ich Deine Seite gefunden. Ich bin 65 Jahre und stehe jetzt vor dem gleichen Problem.
Arbeit abgeben und was dann ?
Ich werde mich wohl auch in meinen Pössel setzen und losfahren. Vielleicht sieht man sich mal.
Ich wünsche Dir einen guten Rutsch ins Jahr 2018. Bleib gesund.
Ralph
Hallo Ralph, nicht mehr arbeiten ist auf Dauer machbar, nicht mehr einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen unmöglich. Wir müssen dranbleiben, oder? Alles Gute!
Lieber Rolf, wie wunderbar, das ich vor Längerem „zufällig“ über deinen Blog gestolpert bin. Manch andere Erlebnisse hatten mich zuvor selbst ins Stolpern gebracht. Deine Worte bieten mir immer wieder eine Art Geländer, wenn ich auf schmalem Pfad zum wiederholten Male an einer ähnlich gemachten Lebenserfahrung entlangschlendere. Das Leben bietet einem Gelegenheiten, über das „wozu“ (und nicht das warum!) nachzudenken, wohl dem, der diese Chance auch ergreifen mag und sich diese Auseinandersetzung mit sich selbst zutraut! Lohnt sich doch tatsächlich! Sich selbst zu lieben sei die längste Romanze seines Lebens (nach Oscar Wilde?), auch die Frage, was kann ich zum erfüllten Leben beiragen auf meinem endlichen Weg, der vor mir liegt.
Du befährst und beschreitest einen ähnlichen Weg wie ich und es macht mir Freude, deine Gedanken zu lesen und mich wiederzufinden. Ein herzliches Danke für dieses Angebot! Ich wünsche uns allen ein phantastisches gänzlich neues Jahr, das mit Erfahrungen und Wünschen spielen kann!
Liebe Susanne,
vielen Dank für deine motivierenden Worte. Ich liebe Oscar Wilde, er lag durchaus oft richtig, oder? Alles Gute und weiterhin viel Offenheit wünsche ich dir!
Lieber Rolf,
in einer von Blogs und Vlogs und medialem Gerausche überfrachteten Welt entdeckte ich Deine BLOG-PERLE. Wunderbar.
Ich las die Worte und sah die Bilder und mir war klar, dass diese Kombination kein Zufall ist. Und ließ mich – gefrustet von dem einen Foto-Bearbeitungsprogramm von der Firma mit dem Apfel und noch mehr gefrustet vom Umzug zum nächsten von der Firma mit den Lichträumen – immer wieder ablenken durch Deinen Hochgenuss-Blog.
Und da ich sowohl den feinen Kaffee liebe als auch die eine oder andere Fotografenlehre absolvieren durfte und ebenso die eine oder ander medizinische Fakultät belästigt habe und mit dem Krebs oder besser: Bildern vom Krebs mein täglich´ Brot verdiene, entdeckte ich so manch resonante Parallele und verlor mich in Rolf-Posie und den Fantasien von einem Bulli, den ich mir ebenfalls sicher in Schwarz kaufen würde.
Wie auch immer: würde mich freuen, mehr und weiter von Dir zu lesen und wünsche mir, dass es Dir gut geht mit den medizinischen Themen und genau so mit den spirituellen Fragen und deren Beantwortung oder vielleicht auch einfach mit den (Achtung, Wortspiel…:) ) Er-Fahrungen im „Tiny House“.
Herzliche Grüße, Thomas
Lieber Thomas,
würde ich meine Tage bewerten, hätte ich heute ein dickes Minus an die Tafel gekratzt. Aber nun, nachdem ich spät abends gerade noch deinen Kommentar gelesen habe, würde ich doch noch einmal aufstehen, die Kreide in die Hand nehmen und ein Plus daraus machen. Hab vielen Dank dafür!