Meist bin ich auf dem Stellplatz das einzige schwarze Fahrzeug neben all den weißen. Das ist vielleicht mehr als nur ein Zufall, denn eigentlich wollte ich nie ein Camper sein. Doch nun ist doch einer aus mir geworden. Was ist also dran an dem schlechten Bild von uns Campern?
Man kennt ja die klassischen Vorurteile: Camper sind im Grunde Schrebergärtner unterwegs. Sie müssen campen, weil richtige Urlaube zu teuer sind. Männliche Camper sind Bäuche in Schlappen, lesen Sport in der Bildzeitung, furzen laut und sagen dann „Gesundheit“ und riechen irgendwie immer nach alter Bratwurst. Camperinnen machen von früh bis spät entweder sauber oder Essen, ständig diese unsäglichen Mayonaise-Salate, rauchen dabei hustend eine nach der anderen und sind von einer Aura aus Stockfleck und Essigessenz umgeben. Abends schießt man sich mit Bier und Kellergeister gemeinsam die Laterne aus, morgens alles nochmal von vorne. Alles Quatsch natürlich.
Mittlerweile habe ich gelernt, Camper etwas differenzierter zu betrachten. Diejenigen, die womöglich einen kleinen Teil der gängigsten Vorurteile bestätigen könnten, sind die Dauercamper. Wie sich anhand der Bezeichnung schon vermuten lässt, parken die ihren Wohnwagen dauerhaft an einer Stelle und gehen da nie mehr weg. Im Lauf der Zeit werden hier und da Anbauteile und -zelte derart stabilisiert und optimiert, dass aus dem einstigen Wohnwagen schließlich etwas wird, für das es keinen Namen gibt, mich persönlich aber immer irgendwie an DDR erinnert hat. Es entstehen Enklaven, dank üblicher gruppendynamischer Prozesse mit in Jahren gewachsenen vereinsähnlichen Strukturen. Außenstehende, so Typen wie ich, werden von Dauercampern stets mit allergrößter Skepsis betrachtet. Gespräche verstummen, Bewegungen erstarren. Wir haben gelernt, uns gegenseitig zu meiden. Für den Fortbestand zahlreicher Campingplätze aber, so die Platzbetreiber, sind Dauercamper eine echte Bank, da sie jährlich einen fest planbaren und wetterunabhängigen Umsatz bringen.
Der Wohnwagen-Camper fährt mit Auto samt Hänger auf den Campingplatz im Urlaubsort. Für eine Familie mit Kindern ist das optimal. Die Kids finden schnell neue Freunde und man sieht sie nur noch, wenn man das will, hat selbst eine ruhige Zeit und ist draußen. Tagsüber kann man dank PKW auch mal in die nächste große Stadt fahren oder kulturelle Angebote nutzen. Entgegen dem Vorurteil ist Camping-Urlaub dieser Art keineswegs dramatisch günstiger als eine Pauschalreise im Hotel. In Ferienzeiten zahlt man für gute Plätze an gefragten Orten auch schon mal bis zu 100 €. Dazu kommen die Kosten für Essen, Wohnwagen, Benzin etc.
Wer zu zweit oder mit Familie längere Touren macht, ist am besten im Wohnmobil unterwegs. Man sucht sich für nachts einen Stellplatz und überlegt sich morgens, wohin es als nächstes geht. Man hat ein ganzes Haus auf Rädern, von Küche bis Toilette alles an Bord. Die Mobilität in Städten ist zwar bedingt durch die Fahrzeuggröße eingeschränkt, aber man hat meistens Fahrräder dabei und kommt zurecht. Urlaub im Womo bietet einen guten Kompromiss zwischen Komfort und Freiheit, ist aber definitiv teurer als die Pauschalreise. Entweder muss man sich ja eins leihen, das kostet etwa 2.200 € für zwei Wochen, oder man hat sein eigenes, wobei dabei Anschaffung, Unterhalt und Wertverlust meist noch teurer als Miete sind. Dazu kommen dann noch die Kosten für Stellplatz etc. wie schon erwähnt. Meinen Beobachtungen nach sind die meisten Wohnmobilisten sehr offene tolerante Menschen und stets uneingeschränkt hilfsbereit. Brüder im Geiste.
Zelten ist campen schlechthin, und erlebt seit Jahren durch moderne Materialien und besseres Outdoor- und Trekking-Zubehör eine Renaissance. Ja, heute kann es regnen und man muss trotzdem nicht im klatschnassen Schlafsack liegen, während man von Mücken kurz und klein gestochen wird. Auf meinen Touren beobachte ich immer mehr Leute, die als Backpacker oder mit PKW unterwegs sind und nachts im federleichten High-Tech-Zelt Station auf einem Campingplatz machen, wegen fließend Wasser. Das ist schon richtig cool, finde ich. Wäre ich dreißig Jahre jünger, würde ich jetzt auch so unterwegs sein. Über die 16- bis 18-jährigen, die in der Gruppe zelten und einen altersbedingt völlig unorganisierten Aufenthalt hinlegen, vom Grillfeuer, dessen schwerer schwarzer Qualm ins offene eigene Zelt hineinzieht bis zum Typen, der an seine Autotür gekotzt hat, mache ich mal einen seperaten Bericht.
Camping-Bullis sind ideal, wenn man alleine oder zu zweit touren möchte. Sie sind der gute Kompromiss zwischen Beweglichkeit vom PKW und Ausstattung vom Wohnmobil, dennoch nur ein Kompromiss. Mit dem Bild, dass wir dank cooler Surfer, der 68er Hippiebewegung und Woodstock vom VW-Bulli haben, hat ein T6 der neusten Generation nichts mehr am Hut, auch wenn wir Fahrer das gerne hätten. Den klassischen Bulli-Fahrer kann ich bisher noch nicht erkennen. Jüngere Leute fahren ältere gebrauchte Modelle, ältere junggebliebene Leute eher die neueren. Auf der Straße grüßen sich alle, irgendwie ist der VW-Bulli klassenlos.
Resümee: Camper gehen nett, aufmerksam und hilfsbereit miteinander um. Das liegt daran, dass man in welcher Unterkunft auch immer im Grundgedanken der gleichen Leidenschaft, Abenteuerlust und Naturverbundenheit nachgeht. Campen ist ein mitunter sehr abgespecktes Leben, bei dem man freiwillig auf eine Menge Komfort verzichtet. Selbstdarsteller und Choleriker, die mir innerstädtisch durchaus nicht fremd sind, sind mir auf meinen Touren bisher nie begegnet. Die Zeiten sind heute andere, und die Menschen sind heute anders als die, die vielleicht einmal für das Entstehen der Vorurteile gesorgt haben.
Hallo Rolf,
nachdem du deinen Blog eben im Caliboard verlinkt hast, habe ich den grauen Sonntag gleich mal genutzt mich hier ein wenig einzulesen.
Viele Aussagen kenne ich aus meinen eigenen Beobachtungen.
So sieht man sich als Bulli Fahrer doch selbst in einem völlig anderen Licht zu den großen Wohnmobilen, heimlich natürlich mit gelegentlichen Fremdgehgedanken an verregneten Tagen, wie es wohl wäre mit etwas mehr Platz…
Selbstverständlich werden diese schnell wieder beiseite geschoben:-)
Kann mich noch gut an ein Erlebnis vor vielen Jahren erinnern. Neben uns ein Paar weit in den 70ern im T3.
Auf meine Begrüßung am nächsten Tag “schon eng im VW Bus“ erntete ich einen völlig unverständlichen Blick verziert mit einem gequälten Lächeln.
Im Nachhinein war mir der Satz echt peinlich. So bin ich mir sicher, dass die beiden bewusst und gerne mit ihrem VW bus unterwegs waren, und das wahrscheinlich schon viele Jahre.
Seit dem sehe ich den Bulli auch als eine Art Junghaltemaschine. Eben genau dieser tägliche Verzicht, das Leben auf engstem Raum, aber halt trotzdem individuell mit dem persönlich wichtigen ausgestattet.
Sehr schöner Blog!
Grüße Björn
Lieber Björn, das mit der Junghaltemaschine unterschreibe ich sofort, das stelle ich an mir selbst fest. Und nach wie vor ist die Entscheidung für den Bulli eine philosophische, und vielleicht auch praktische. Die Wendigkeit würde ich niemals missen wollen. Ansonsten ist ja auch ein Zimmer hin und wieder nicht die schlechteste Sache, besonders in größeren Städten zentral gelegen. Liebe Grüße!
Hallo Rolf,
schön kategorisiert.
Eine Einstellung vor allem der Bus-, Kastenwagen- und Selbstausbaufahrer erschreckt mich: Die Ekelschwelle sinkt. Es scheut sich kaum einer, seine Exkremente inmitten der mit Klopapier übersäten Landschaft ab zu setzen.
Ich stelle mich manchmal gerne zu den Weißen. Sicherheit und Sauberkeit sind mir dann wichtig. Ich hab sie alle als sehr nett kennengelernt. Auch die mit den ganz großen weißen Wohn-LKWs.
Weiterhin gute Reise
Sybille
Ein großer Vorteil, dass ich eine eingebaute Toilette an Bord habe. Ich weiß das jeden Tag wieder zu schätzen. Liebe Grüße!
Moin zusammen!
Da ich offenbar auf „Gleichgesinnte“ gestossen bin, werde ich gerne deinen Block weiter verfolgen.
Der schwarze VW Bus soll im Februar in Hannover im Werk abgeholt werden?! Mit Werksbesichtigung und so.
Ich bleibe dran und wünsche euch allen eine gute Woche ….
Oh, wie schön. Mental begleite ich dich, Petra.
Es ist nochmal Zeit für ein „Moin zusammen“,
was ist eigentlich in diesem Land, ach was sage ich , auf dieser Welt, los? In der Schule hat man unserem 60er Jahrgang mal etwas von Legislative-Executive-Judikative beibracht. Na ob das mal so stimmt?
Meinen schwarzen Bus soll ins jetzt tatsächlich im April abholen können. Mit amtlich genehmigten Abgasen!
Seit der Bestellung im Oktober vergangenen Jahres durfte ich hautnah die Kuriositäten und Widersprüche der Politik und Autoindustrie am eigenen Leib erfahren. „Wollt ihr eigentlich nur mehr Geld?! Warum sagt ihr es dann nicht! ?“ Wir geben es Euch doch gerne, wenn ihr es nur vernünftig umverteilen würdet.
Et hat noch imme jot jejannge! wie der Kölner so schön sagt
Ich verstehe vieles dieser Debatte auch nicht. Es sollte eine blaue Plakette geben. Warum es die längst gibt, habe ich nie verstanden. Könnte irgendwas mit Dummheit oder Lobbyismus zu tun haben, auf jeden mit schlechter Politik.
Neuere Autos, Alter bis fünf Jahre, sollten auf Herstellerkosten, ältere auf Eigentümerkosten nachgerüstet werden, und alles müsste steuerlich absetzbar sein.
Ja Rolf, es könnte so einfach sein! Aber das ist nicht gewollt.
Die aktuelle Facebook-Verarsche ist so gefährlich, man macht alles so kompliziert, dass der normale Mensch nicht mehr durchblickt und resigniert! Genau das ist offenbar gewollt!
Aber soweit sind wir 2 noch nicht, gell. Wir machen noch ein bisschen „Zores“ , Hauptsache nicht langweilig!
In diesem Sinne, Euch allen einen schönen Frühling!
Und eine handbreit Strasse unterm Bulli ….Lieber Gruß Petra