Vor Antritt dieser Reise hatte ich eine kindliche Vorstellung davon, wie das wohl sein würde. Ich sah mich auf dem Berg in den Highlands stehen, mit vorgestrecktem Kinn und fett Pathos in die endlose Weite blickend, oder mit Speer und nacktem Oberkörper im reißenden Eiswasser-Fjord Lachse fangen. Zeit hätte ich, alle Zeit der Welt, um nach und nach jeden Gedanken zu denken, den zu denken mir früher zeitlich nicht möglich war. Und eines Tages, am Ende meiner Reise, wäre es so, dass ich weise in mir ruhend heimkehren und dabei diese besondere spirituelle Aura der großen Abenteurer ausstrahlen würde, so etwa Amundsen meets Hemmingway.
Die Realität nach nun zwei Wochen stellt sich indes etwas weniger heroisch dar. Ich beginne mich zu fragen, was es wohl braucht, um diese Reise später rückblickend als „spirituelle Erfahrung“ empfinden zu können.
Offen gesagt, ich weiß es nicht, aber wahrscheinlich ist genau das die beste Voraussetzung, um später nicht enttäuscht zu werden. Vielleicht geht es anfangs lediglich darum zu lernen, sich selbst genug zu sein oder darum zu erkennen, dass man nichts leisten muss, um etwas wert zu sein. Sicherlich habe ich eine große Anzahl von Fragen im Gepäck, die irgendwo unter dem ganzen alten Ballast liegen müssen, den ich unterwegs abzuwerfen hoffe, aber für die ist längst noch nicht Zeit.
Marcus Langer, begnadeter Graphiker und mein Freund, hat mir vor Jahren mal etwas ins Gehirn gebrannt, als er sagte: „Nur aus der Ruhe heraus kann Kreativität entstehen.“ Ich sehe das bis heute als einen meiner Leitsätze an, daher versuche ich auf dieser Reise bislang noch gar nichts anderes als erst einmal nur anzukommen und eine Tagesstruktur für mich zu finden, die möglichst weit weg ist von früher.
So starte ich morgens zunächst mit einigen sehr unbeholfenen aber gutgemeinten Dehn- und Atemübungen, so eine Art Yoga für Idioten. Danach lese ich dann den unterirdischen Daily Star, um English zu lernen. Am späten Vormittag steige ich meist auf den nächsten Mount Castle irgendwas und genieße dort die weite Landschaft Cornwalls. Ich besuche grundsätzlich jede alte Kirche, sauge ihre sakrale Atmosphäre auf und versuche, die Gegenwart von Gott zu spüren. Ein paarmal habe ich sogar gebetet, obwohl ich nie gläubig war. Es fühlte sich aber trotzdem gut an, und schaden kann es ja nichts.
Und das ist es auch schon. Meine Tage sind sehr ruhig. Nicht mehr, nicht weniger. Vielleicht spirituell, vielleicht nur langweilig. Das wird sich zeigen.